Die Zeit der Pandemie hat uns einiges abverlangt (und tut es noch), vor allem das permanente Einstellen auf Veränderungen, und zwar in eigentlich jedem Lebensbereich. Das war für uns oft unbequem, in manchen Bereichen aber auch bequemer als je zuvor. Darum wollen wir uns etwas mit diesem Begriff „Bequemlichkeit“ beschäftigen. Was ist das überhaupt und wie nehmen wir Bequemlichkeit wahr? Was hat Bequemlichkeit mit persönlicher Weiterentwicklung, mit Selbstführung, Führung von Mitarbeitern und Technik zu tun? Diese Aspekte wollen wir von verschiedenen Seiten in einer 6-teiligen Artikelserie beleuchten und Sie zum Nachdenken anregen über Ihre persönliche Vorstellung und Ihr eigenes Maß an Bequemlichkeit. Machen Sie es sich also bequem und machen Sie sich mit uns auf die Reise ins Land der Bequemlichkeit.
Bequemlichkeit – was wir darunter verstehen
Wenn Sie den Begriff Bequemlichkeit hören – was assoziieren Sie damit? Ist der Begriff für Sie eher positiv oder negativ belegt? Die meisten Menschen verbinden mit Bequemlichkeit direkt Trägheit, Lustlosigkeit, Faulheit, den Weg des geringsten Widerstands und Nichtstun. Besonders anfällig für diese negativ empfundene Art der Bequemlichkeit sind entweder Menschen, die keinen Ehrgeiz haben, die sich möglicherweise permanent unterfordert fühlen und deshalb in die Opposition der Bequemlichkeit gehen, oder Menschen, die keinen Ansporn für Veränderung des Ist-Zustands haben oder aus den unterschiedlichsten Gründen einfach resigniert haben.
Die Wüstenväter, frühchristliche Mönche, die sich in die Einsamkeit der Wüste zurückgezogen hatten, bezeichneten diesen Zustand als „Acedia“, ein sich Verschließen gegenüber notwendigen Veränderungen. Kennzeichen dieses Zustands sind zum Beispiel Ablenkung und Zerstreuung, Prokrastination und das Vermeiden des eigentlich Geforderten, sowie die Neigung, keine Verantwortung für die eigene Situation zu übernehmen und sich als Opfer der Entscheidungen anderer zu sehen. Somit ist Bequemlichkeit in der negativen Ausprägung letztlich eine Haltung, die einen Menschen auf dem Niveau bleiben lässt, auf dem er sich schon befindet. Sie kann sich durchaus auch in Hyperaktivität äußern, indem man ganz viel macht, aber nichts, was einen voranbringt. Letztlich verweigert diese Form der Bequemlichkeit die persönliche oder berufliche Weiterentwicklung.
Gibt es nun aber auch eine positive Form von Bequemlichkeit? Und wenn ja, wie kommt man da hin?
Positive Aspekte von Bequemlichkeit sind zum Beispiel ein damit verbundenes Wohlbefinden. Man macht es sich in einem bequemen Sessel bequem und entspannt sich. Man ruht sich nach vorheriger Anspannung aus, belohnt sich mit Bequemlichkeit für vorher erbrachte Leistung. Es gibt auch bequemes Arbeiten: Arbeiten mit einer gelassenen Haltung; ökonomisches Arbeiten, bei dem man nur so viel Energie wie nötig einsetzt, um das optimale Ergebnis zu erzielen. Es gibt auch bequeme Aufgaben – die nicht so viel Anstrengung erfordern, deren Erledigung weiterbringt oder unmittelbar Freude macht. Bequemes Arbeiten ist grundsätzlich eher mit Motivation und Spaß an der Aufgabe verbunden, oder auch mit Herausforderungen, die positiv und anspornend empfunden werden.
Man kann Bequemlichkeit auch zum Auftanken nutzen, zur Entspannung und als Gegengewicht zu einer zuvor gelebten Anspannung. Somit ist Bequemlichkeit, sofern sie bewusst wahrgenommen und eingesetzt wird, etwas Gesundes. Wenn es mit gelingt, zu einer gewissen Ausgeglichenheit von Anspannung und Entspannung in allen Lebensbereichen (beruflich und privat) zu kommen, dann muss ich es mir nicht ungesund bequem machen, um mir einen vermeintlichen Ausgleich zu einer ungesunden Anspannung in einem Bereich zu verschaffen.
Das optimale Maß
Letztlich muss jeder sein eigenes optimales Maß an Bequemlichkeit finden. Die Außenwahrnehmung trügt da oft. Sitzt man beispielsweise äußerlich betrachtet entspannt da, denkt innerlich aber konzentriert über anstehende Projekte nach, wirkt das von außen vielleicht untätig und bequem. Man braucht also ein gewisses Selbstbewusstsein und eine gewisse Selbstbewusstheit, um eine positive Form von Bequemlichkeit zu praktizieren. Ähnliches gilt für das aktuelle Arbeiten im Homeoffice. Nicht jeder, der konsequent Pause macht oder sein Homeoffice auf die Terrasse verlegt, macht es sich bequem, sondern steigert dadurch unter Umständen sogar seine Effektivität und leistet mehr als jemand, der auf Pausen verzichtet und den Feierabend nach hinten verlegt. Jeder Mensch muss sein eigenes Maß an Bequemlichkeit und konzentriertem Arbeiten finden, da hilft die Außenwahrnehmung oft recht wenig.
Wie beurteile ich als Chef nun aber die Effektivität meiner Mitarbeiter? Oft misst man Leitung rein an Zahlen, und diese sind auch ein wichtiger Indikator. Die reine Arbeitszeit ist auch eine Zahl, aber die Effektivität nicht unbedingt an ihr messbar. Nicht jeder, der Pausen und Feierabend einhält, ist auch bequem oder weniger produktiv. Deshalb hilft hier die Frage: Was machen meine Mitarbeiter konkret? Woran arbeiten Sie? Und was kommt bei ihrem Arbeitseinsatz an messbaren Ergebnissen heraus? Und natürlich vorher die Frage: Wie und woran messe ich die Ergebnisse? Und: ist diese „Maßeinheit“ meinen Mitarbeitern bekannt?
Im Idealfall haben wir für uns persönlich ein optimales Maß an Bequemlichkeit gefunden, das uns immer wieder in Balance zwischen An- und Entspannung bringt. Wenn es uns gelingt, dieses Maß auch im beruflichen Umfeld zu leben, werden wir feststellen, dass uns vieles leichter von der Hand geht und wir in manchen Aufgaben auch ganz legitim bequem arbeiten, das heißt mit wenig sichtbarer Anstrengung gute Ergebnisse erzielen können.
Zum Weiterdenken:
- Was verbinde ich persönlich mit dem Begriff der Bequemlichkeit?
- Wie kann ich für mich mehr in mein persönliches Optimum von Bequemlichkeit kommen?