Bequeme Technik? (Serie „Bequemlichkeit“ Teil 6/6)

Unser Leben und unsere Welt ist mehr denn je geprägt von Technik. Die Digitalisierung hat in den letzten Jahren Dinge möglich gemacht, die man früher eher im Bereich Science Fiction angesiedelt hätte. Technik macht es uns in vielerlei Hinsicht bequem. Wenn wir Technik clever nutzen, spart sie uns Zeit, Aufwand, Wege.

Aber wir sollten es uns nicht zu bequem machen lassen und das Eigentliche nicht vergessen: den Menschen. Denn Technik verführt auch dazu, dass wir uns versklaven lassen (schon angefangen von der Kaffeemaschine, die vor dem ersten Kaffee erst gereinigt, nachgefüllt und liebgehabt werden möchte) und Technik über den Menschen stellen. Denn manchmal setzen wir Technik auf Kosten der Menschen ein; wenn etwa manche Dienste nur noch online verfügbar sind, schließen wir beispielsweise viele ältere Menschen aus, die diese technische Entwicklung nicht mehr mitgehen können oder wollen.

Die Kehrseite der Medaille ist außerdem: Nur zu oft verlassen wir uns auf die Technik, und sind dann umso gestresster oder hilfloser, wenn die Technik versagt. Oft haben wir keinen Plan B. Bei Stromausfall können wir nicht weiterarbeiten, haben plötzlich keinen Zugriff mehr auf Daten, wissen nicht mehr, wie man handschriftlich dokumentiert, fühlen uns hilflos ausgeliefert. Wir sind manchmal so begeistert von neuen technischen Möglichkeiten, dass wir vergessen zu überlegen, was die Technisierung oder Digitalisierung in einem Bereich an langfristigen Auswirkungen hat oder welche Kreise sie im erweiterten System zieht. Alleine die permanente Erreichbarkeit – wichtig in Notfällen, aber sonst? Wir sind ständig erreichbar und dadurch permanent ablenkbar von unseren eigentlichen Aufgaben, lassen uns unterbrechen und arbeiten unkonzentriert.

Daher gilt es Regeln zu finden und auch einzuhalten. Am Beispiel der permanenten Erreichbarkeit: Gibt es Zeiten, in denen die Bürotür einfach zu bleiben darf und eine geschlossene Tür auch als geschlossene Tür von den Kollegen akzeptiert wird? Wie oft am Tag müssen E-Mails abgerufen werden? Sind die Erwartungen klar definiert? Darf das Telefon stundenweise ausgestellt bzw. weitergeleitet werden, um an wichtigen Projekten konzentriert und ungestört arbeiten zu können? Ist der Feierabend wirklich Feierabend – oder darf der Chef spätabends noch anrufen?

Technik ist dann gut und bequem, wenn wir sie sinnvoll nutzen und beherrschen. Sie wird aber ganz schnell unbequem, wenn sie versagt. Sie kennen das: Sie wollen nur schnell noch vor dem Meeting ein Dokument ausdrucken – und der Drucker sagt: „Nö, bitte erst Toner wechseln.“ Sie haben an einem wichtigen Dokument gearbeitet – und ihr Textverarbeitungsprogramm tut nur so, als ob es alles gespeichert hätte. Dann streikt der Stresspegel.

Stress durch Technikversagen

Die Frage ist: wie gehen wir mit Technikversagen um? Können wir gelassen sagen: „Das ist jetzt halt so, schauen wir mal in Ruhe, wie wir mit der Situation umgehen.“ Oder wirft uns das völlig aus unserer Bahn, so dass wir so überfordert sind, dass wir keinen klaren Gedanken mehr fassen können und letztlich erstmal arbeitsunfähig werden? Die erste Version ist natürlich die bessere. Wenn wir damit rechnen, dass Technik nicht immer funktioniert, haben wir einen Plan B in der Tasche. Wir kommen auch ohne den Ausdruck klar, wir können Projekte oder Aufgaben erledigen, die den PC gerade nicht brauchen, wir können einfach entspannt Pause machen, bis das Problem behoben ist. Darauf muss man aber grundsätzlich vorbereitet sein, das heißt, man muss damit rechnen, dass Technik nicht immer funktioniert. Dann wird man auch bei Technikversagen nicht verwirrt aufblicken und feststellen, dass man um sich herum echte Menschen hat, mit denen man einfach so sprechen kann – statt immer die E-Mail ins Nachbarbüro zu schicken. Somit hat Technikausfall auch kreatives Potenzial. Er regt dazu an, neue Wege finden und zu beschreiten, die den Menschen unter Umständen wieder mehr im Blick haben.

Generell sollte man bei der Einführung technischer Neuerungen immer das ganze System in den Blick nehmen: Ist der neue Online-Shop nur für das Unternehmen bequem – oder auch für den Kunden? Überträgt man damit lästige Aufgaben an den Kunden, oder macht man es dem Kunden ebenfalls einfacher? Sind die neuen Selbstscanner-Kassen bedienfreundlich? Ist die neue Software selbsterklärend und intuitiv bedienbar? Technik kann viele Freiräume schaffen. Beispielsweise kann man schneller Mails diktieren und in Text umwandeln lassen, statt sie mühsam selbst zu tippen. Die gewonnene Zeit schafft Freiraum für andere Aufgaben. In diesem Fall ist Technik eine sinnvolle Unterstützung und bequem. Manchmal macht Technik uns aber auch faul auf Kosten anderer. Und da sollten wir aufmerksam bleiben und auch unser Techniknutzungsverhalten immer mal wieder hinterfragen.

Ein Beispiel, wo Technik uns faul macht auf Kosten anderer: Sprachnachrichten. Schnell gesprochen statt lange getippt, und weil sie unmittelbar beim Empfänger ankommen, lösen Sie ein gewisses Gefühl der Dringlichkeit aus. Das Problem nur: in der Regel befindet man sich in einem Umfeld, das es unmöglich macht, Sprachnachrichten abzuhören. Also muss die Nachricht warten, verursacht aber Unbehagen, denn sie könnte ja wichtig sein. Das heißt, wer Sprachnachrichten verschickt, macht es sich selbst leicht, dem Empfänger aber schwer.

Ein weiteres Beispiel ist die zunehmende Automatisierung in Unternehmen. Maschinen können heute schneller arbeiten, als wir mit bloßem Auge sehen können. So rationalisieren Maschinen Tätigkeiten weg, die früher Menschen übernommen haben. Das ist praktisch für das Unternehmen, weil die Produktivität dadurch enorm gesteigert wird. Andererseits gibt es viele Menschen, die solche wiederkehrenden Aufgaben lieben. Die gerne am Fließband arbeiten oder mit dem Gabelstapler durch die Gänge fahren. Das ist eine gesellschaftliche Frage: wo geben wir solchen Menschen in unserer Gesellschaft Raum und einen Arbeitsplatz, an dem ihre Fähigkeiten und ihre Gewissenhaftigkeit wertgeschätzt werden?

Hinter all dem Nachdenken über Technik steht letztlich eine ethische Frage: Inwieweit machen wir Effizienz zum Maß aller Dinge? Oder inwieweit darf der Mensch das Maß aller Dinge bleiben?

Zum Weiterdenken:

  • Welchen Stellenwert hat Technik in Ihrem Leben?
  • Wie gehen Sie mit Technikversagen um?
  • Was ist in Ihrem Unternehmen das Maß aller Dinge – die Technik oder der Mensch?
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CHRISTOPH SCHALK

MASTER COACH & PSYCHOLOGE

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